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15
Dez

Adventsbrief 2021 von Karin Loos, Geschäftsführerin des NTFN e.V.

Liebe Mitglieder, liebe Unterstützer*innen und Interessierte,

zum 100. Geburtsjahr des Lyrikers Erich Fried fiel mir beistehendes Gedicht wieder in die Hände. Es scheint mir das auszudrücken, was wir in unseren Psychosozialen Zentren angesichts des Leids vieler geflüchteter Menschen versuchen anzubieten.

Besonders bewegt uns derzeit das Ausmaß der humanitären Not in Afghanistan. Uns entsetzen der Hunger und das Elend, die dort seit vielen Jahren herrschen. Uns erschüttert auch die Ignoranz und bürokratische Arroganz bei der Auswahl, wer fliehen darf. Was sagen wir den Menschen aus Afghanistan hierzulande? Warum können ihre Angehörigen nicht kommen, auch wenn sie selbst für diese sorgen könnten? Was sagen wir dem Familienvater, der akut dekompensiert und wochenlang in der Klinik aufgenommen werden muss, weil eines seiner Kinder den Kampf um einen Platz in einem Evakuierungsflieger am Flughafen Kabul nicht überlebt hat und seine Frau mit mehreren weiteren Kindern irgendwo dort weiterleben muss?

Was bedeutet Therapie (aus dem altgriechischen: Dienst, Heilung) in diesem Kontext? Vielleicht ist unsere wichtigste Funktion hier ganz im Sinne des Gedichts von Erich Fried: Raum geben, das Unglück auszusprechen, Raum geben, das Unglück auszuatmen -das Leiden gemeinsam aushalten.

Für diese Arbeit möchten wir auch dieses Jahr wieder um Ihre Unterstützung bitten und all jenen danken, die uns zum Teil seit Jahren regelmäßig mit ihren Worten, ihrem Handeln und ihren Spenden unterstützen. In diesem Jahr geht unser Dank besonders an den großartigen Pianisten Igor Levit für seine Unterstützung unserer Arbeit zur rechten Zeit, die so viel mehr ist als das Geld, das wir freilich dringend brauchen können. Eine Unterstützung, die vor allem auch eine Wertschätzung ist, dass das, was wir tun, notwendig und sinnvoll ist – auch wenn es nicht immer und oft nicht schnell vorzeigbare Ergebnisse liefert. Seinen Tweet vom 15.8.2021, dem Tag, an dem die Taliban Kabul eingenommen haben, wollen wir gerne mit Ihnen teilen und haben ihn daher für Sie als Postkarte beigefügt. Auch wenn es manchmal schwer fällt, das Schöne und Gute in der Welt zu sehen, lohnt es sich doch dafür zu kämpfen.

Beeindruckt und sehr gefreut hat uns in den letzten Tagen, dass das Land Niedersachsen seinen 75. Geburtstag mit einem klaren Bekenntnis zu Migration und Vielfalt gefeiert hat. Dazu gehörte der syrische Flüchtling genauso wie die Pflege der plattdeutschen Sprache, wie Günther der Treckerfahrer oder Navid Kermani, der über Afghanistan und die Notwendigkeit der außenpolitischen Einmischung sprach. Da gab es diesen Moment der Freude und der Anerkennung in einem demokratischen Land zu leben. Auch diese Demokratie musste erkämpft werden und es lohnt sich für ihren Erhalt zu streiten.

Denken wir daran: wir müssen mit allem rechnen, auch mit dem Guten. Dafür wollen wir mit unserer Arbeit in unseren Psychosozialen Zentren in Braunschweig, Göttingen, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Hannover einen kleinen Beitrag leisten.

Mitunter sogar Lachen: so heißen die autobiographischen Erinnerungen von Erich Fried, in denen er seine Zeit als jüdisches Kind in Wien, das von den Nazis eingenommen wird, genauso berührend beschreibt wie sein Leben als unbegleiteter Minderjähriger mit 17 im Exil in London.

Mitunter sogar Lachen – so gehen wir ins neue Jahr! Mit herzlichen Grüßen für den NTFN e.V.,

Karin Loos, Geschäftsführerin des NTFN e.V.

Sein Unglück ausatmen können

tief ausatmen sodass man wieder einatmen kann

Und vielleicht auch sein Unglück

sagen können in Worten

in wirklichen Worten

die zusammenhängen

und Sinn haben

und die man selbst noch

verstehen kann

und die vielleicht sogar

irgendwer sonst versteht

oder verstehen könnte

Und weinen können

Das wäre schon fast wieder

Glück

Erich Fried: Aufhebung

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