Zum Tag der Menschenrechte: PRO ASYL zieht bitteres Fazit nach einem Jahr Aktionsplan Afghanistan
Zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember mahnt PRO ASYL, die gefährdeten Menschen in Afghanistan nicht zu vergessen. Entgegen der Versprechen der deutschen Bundesregierung harren weiterhin Tausende Menschen in Afghanistan aus, die wegen ihres Engagements für westliche Werte stark gefährdet sind. Die Taliban stürzen das Land unterdessen in mittelalterliche Verhältnisse.
Während
die Welt in die Ukraine und in den Iran schaut, verdüstert sich das
Leben in Afghanistan zusehends. Die Taliban lassen ihre Maske der
angeblichen Mäßigung fallen und offenbaren ihr wahres Gesicht. Die Liste
der Grausamkeiten ist lang: Nach den jüngsten Anweisungen dürfen
Frauen nicht länger einen Park besuchen,
teilweise ist ihnen selbst der Kauf einer SIM-Karte verboten. In nahezu
allen Lebensbereichen wurden Frauen ihrer Grundrechte beraubt.
Menschen werden ausgepeitscht, eine erste öffentliche Hinrichtung ist
bekannt geworden. Steinigungen und Amputation von Gliedmaßen gelten
mittlerweile als zulässige Bestrafung. Kündigten die Taliban zu Beginn
der Machtübernahme noch eine gemäßigte Politik an, ist es mittlerweile
ihr offen erklärtes Ziel, die Scharia in harter Auslegungsform
umzusetzen.
Bundesregierung muss mehr leisten als Lippenbekenntnisse
„Viele
westliche Regierungen verurteilen die jüngsten martialischen Praktiken
der Taliban. Aber es darf nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Die
deutsche Bundesregierung muss alles tun, damit Menschen, die wegen
ihres Engagements für westliche Werte stark gefährdet sind, aufgenommen
werden“, sagt Dr. Alema, Afghanistan-Referentin bei PRO ASYL. PRO ASYL
erinnert daran, dass erst durch das Handeln der westlichen Staaten
Menschen in Afghanistan in Gefahr gebracht wurden. Wer als
„verwestlicht“ gilt, muss aus Afghanistan evakuiert und aufgenommen
werden.
Mit ihrem Aktionsplan Afghanistan hatte
die deutsche Bundesregierung vor einem Jahr angekündigt, bürokratische
Hürden abbauen und die Ausreisemöglichkeiten für ehemalige Ortskräfte
und besonders Schutzbedürftige ausbauen und beschleunigen zu wollen. Im
Aktionsplan heißt es: „Viele Menschen leben in täglicher Angst. Das gilt
besonders für diejenigen, die mit uns für eine bessere Zukunft
Afghanistans gearbeitet, daran geglaubt und sie gelebt haben. Am
schwersten ist die Lage für die besonders gefährdeten Mädchen und
Frauen. Gegenüber diesen Menschen haben wir eine Verantwortung, und wir
werden sie nicht im Stich lassen.“ Besonders große Hoffnungen haben
viele Afghan*innen auf das Bundesaufnahmeprogramm gesetzt, das sich
letztlich als Mini-Aufnahmeprogramm entpuppte.
PRO ASYL fordert deutliche Verbesserungen
Damit
afghanische Menschenrechtsverteidiger*innen, Medien- und
Kulturschaffende, Frauenrechtlerin*innen, afghanische Ortskräfte und
weitere höchst gefährdete Menschen endlich aufgenommen werden, fordert PRO ASYL:
- Das Bundesaufnahmeprogramm darf sich nicht nur ausschließlich auf „afghanische Staatsangehörige in Afghanistan“ beziehen, sondern sollte auch Afghan*innen, die mittlerweile in Drittstaaten wie Iran und Pakistan fliehen mussten, einschließen.
- Der Weg zum Bundesaufnahmeprogramm muss für Afghan*innen transparentgemacht werden. Derzeit können sie sich nicht selbst bewerben, sondern müssen dies über eine Organisationen in Deutschland tun, die Anträge in Zusammenarbeit mit einer staatlich finanzierten Koordinierungsstelle entgegennimmt. Name und Kontaktdaten dieser meldeberechtigten Stellen sind allerdings immer noch nicht bekannt.
- Die Prüfung und Aufnahme über das Bundesaufnahmeprogramms muss beschleunigt werden. Derzeit werden nur Altfälle abgearbeitet, die Meldung neuer Fälle scheint noch nicht zu funktionieren.
- Die Prüfung von besonders dringenden Einzelfällen durch Erteilung von humanitären Visa (Paragraf 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz) muss fortgeführt werden. Derzeit werden diese nur schleppend erteilt. Bei dem im Bundesaufnahmeprogramm vorgesehenen IT-Scoringsystem, werden die Schutzgesuche mit einem digitalen Punktesystem und mit Algorithmen bewertet. Es besteht die Gefahr, dass ernsthaft gefährdete Menschen, die zum Beispiel nicht die nötigen IT-Kenntnisse mitbringen, durch das Raster fallen.
- Das Ortskräfteverfahren muss so reformiert werden, dass alle Bedrohten, die für Deutschland gearbeitet haben, Schutz finden. Der Begriff der Ortskraft muss auf alle entlohnten und ehrenamtlichen Tätigkeiten für deutsche Institutionen, Organisationen und Unternehmen sowie Subunternehmen ausgeweitet werden.
- Zudem muss der Familiennachzug beschleunigt und der Familienbegriff an die tatsächliche Lebensrealität afghanischer Familien angepasst werden.
- Auf bürokratische Visaverfahren sollte verzichtet werden und stattdessen die Möglichkeit der Visa on Arrival (Visumsausstellung bei Ankunft) eingeführt werden.
Zur Pressemitteilung auf der PRO ASYL-Seite finden Sie hier.