Stellungnahme des NTFN e.V. gegen die diskutierte Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten
Hannover, 29.07.2024
Mit großer Sorge beobachten wir die immer konkretere Diskussion um die Auslagerung von Asylverfahren in Drittländer außerhalb Europas. Dabei werden sowohl die Bedenken der Juristinnen als auch der Medizinerinnen und Menschenrechtler*innen nicht berücksichtigt, die solche Regelungen für nicht vereinbar mit europäischem und deutschem Recht und mit den vielgepriesenen westlichen oder gar christlichen Werten halten.
Als NTFN e.V. kümmern wir uns um die Versorgung traumatisierter und psychisch kranker Flüchtlinge in Niedersachsen. Die Menschen, die wir in unseren Psychosozialen Zentren begleiten, haben psychische Probleme infolge von Krieg, Verfolgung und Flucht – aber auch infolge langwieriger Asylverfahren, mangelndem Zugang zu Therapien, häufig Perspektivlosigkeit und Trennung von Familienangehörigen. Besonders belastend ist dabei die Unterbringung in großen Massenunterkünften, in denen es keine Privatsphäre gibt und keine Möglichkeit, auch nur kleine Bereiche des Lebens selbst zu gestalten.
Die von der EU ursprünglich vorgesehene frühzeitige Identifizierung vulnerabler Gruppen und deren besondere Berücksichtigung im Asylverfahren wurde bisher nur ansatzweise umgesetzt. In einigen europäischen Ländern wie Polen, Kroatien und Bulgarien sind Flüchtlinge schon jetzt menschenunwürdigen Bedingungen ausgesetzt. Sollten die Menschen jetzt in geschlossenen Lagern an Europas Grenzen festgehalten werden, wird das für Viele bedeuten, dass der Zugang zu medizinischer und psychosozialer Behandlung noch weiter eingeschränkt und auch keine unabhängige Rechtsberatung möglich sein wird. Im Ergebnis werden die Menschen damit noch kränker gemacht, ihre Rechte vernachlässigt.
Die gewünschte Wirkung dieser Maßnahmen – eine Reduktion der Zugangszahlen – ist unter Fachleuten sehr umstritten. Es ist eine Scheindiskussion, die sich aber zunehmend verselbständigt. Zu befürchten ist, dass weitere Abschottung lediglich das Geschäft der Schlepper*innen fördert und die Fluchtrouten noch tödlicher macht. Schutzsuchende werden weiter kriminalisiert, ihr Leiden verlängert. Ein Klima der Abwehr breitet sich weiter aus und unterstützt rechtspopulistische Positionen.
Wir erleben auf der anderen Seite, wie schnell unsere Klientinnen wieder Mut fassen, wenn sie fachkundige Ansprechpartnerinnen haben und eine Perspektive aufgezeigt werden kann. Dabei können wir laut einer Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren BAfF im Jahr 2022 lediglich 3.1% des psychosozialen Versorgungsbedarfs decken. (Flucht und Gewalt. Psychosozialer Versorgungsbericht Deutschland 2024).
Wir appellieren an die Politiker*innen der demokratischen Parteien, sich auf ihre menschenrechtliche und wertebasierte Grundlage zu besinnen und für Geflüchtete Bedingungen zu schaffen, die ihnen ein Ankommen und einen guten Start in unserem Land ermöglichen.
Eine PDF-Variante dieser Stellungnahme (gerne zum Weiterleiten) finden Sie hier.